Papa, warum ist der Mann so dick?

Papa, warum ist der Mann so dick?

22. Oktober 2018 6 Von Niels

Kinder sind so herrlich ehrlich, mutig, achtsam und leben im Moment. Dabei sind sie einfach nur sie selbst. Je älter ich werde, desto schwerer fällt es mir, auch wirklich ich selbst zu sein! Wieso müssen Kinder also immer von ihren Eltern lernen und nicht vielmehr auch andersrum?

Diese sogenannte „Erziehung“ hat ja nach den Vorstellungen unserer Gesellschaft anders herum zu laufen: Ich als Erwachsener bringe dem Kind was bei, zeige ihm Grenzen auf, erinnere es an Regeln (an die ich mich ebenso halte), ermahne es und gebe mir Mühe an alles zu denken, was ich je in irgendwelchen Ratgebern gelesen habe.

Doch beinahe jedes Mal muss ich einsehen, wie der Hase wirklich läuft, denn:

Kinder tun nicht, was man ihnen sagt – Kinder ahmen nach, was sie beobachten!

Und da habe ich bislang keinen Elternteil kennengelernt, der zu 100% immerzu auch das einhält, was er/sie selbst ständig „predigt“ (jawohl, hinterfrage auch DU dich an dieser Stelle gerne mal selbst 😉). Kinder sind sprechende Spiegel für die Menschen, mit denen sie sich am meisten umgeben – und das sind (bzw. sollten sein) am meisten die Eltern.

So, wie Kinder uns beobachten und sich an uns orientieren, lohnt es sich allerdings auch, sie selbst zu beobachten. Was hast Du schon von (deinen) Kindern gelernt? Sicherlich gibts es da je nach Kind ganz verschiedene Dinge.

Ich bin mittlerweile der Meinung:

Meine Kinder brauchen niemanden, der sie erzieht! Sie brauchen jemanden, der sie bei ihrer Entwicklung begleitet! Es geht um BE-ziehung und nicht um ER-ziehung!

Das heißt jetzt nicht, dass ich meine Kinder vor sich hinvegetieren lasse. Es heißt aber ebensowenig, dass sie, in allem was sie tun, meinen Erwartungen bzw. Vorstellungen entsprechen müssen. Gerald Hüther spricht nicht umsonst von der Gefahr, Kinder zum ‚Objekt der eigenen Erwartungen‘ zu machen.

Zusammen die Welt zu entdecken und dabei das Risiko überschaubar halten. Freilich eine Gratwanderung: Was darf es jetzt und was nicht? Was traue ich meinem Kind wann zu und was noch nicht? Aber mir gehts hier um die grundsätzliche Haltung.

Interessant ist: Ich finde, so wird ein wenig der „Druck“ aus der ganzen Erziehungs- bzw. Beziehungsgeschichte genommen.

Auch mal von Kindern lernen zu wollen bedeutet für mich, nicht immer recht haben zu müssen (und das war ein Lernprozess!). Hier ein kleiner Ausschnitt dessen, wovon ich mir gerne eine Scheibe vom Verhalten meiner Kinder abschneide:

Kinder sagen klar ihre Meinung

Kinder sind so schonunglos ehrlich. Das ist oft einfach mega witzig – in den betreffenden Momenten oft ebenso mega peinlich…

Klassiker: „Papaaaa, warum ist der Mann neben uns so diiihiick?“ (Situation in der Dusche im Freibad)

Oder: „Könntest du mir bitte die Wasserflasche mitbringen, die gleich neben dir steht, mein Schatz?“

„Ähm. Nö.“

„Wieso nicht?“

„Ich habe keine Lust.“

„…ach so ist das, hmmpf“

Aber ganz im Ernst: Kinder sagen halt, was sie denken. Die Gesellschaft hat sie noch nicht ‚in die Knie gezwungen‘, sich so zu benehmen, wie es angebliche Regeln verlangen.

Ich will hier auch nicht dafür plädieren, mit ausgestreckten Mittelfingern durch den Alltag zu gehen. Die eigene Meinung rauszuhauen – im Guten sowie manchmal im weniger Guten – kann aber sehr befreiend sein und gehört dazu, wenn ich ich selbst sein möchte. Und am Ende meines Lebens möchte ich von mir behaupten können, mir treu gewesen zu sein. Negative Gedanken in uns hinein zu fressen, ist zudem nachweislich nicht gesund.

Kinder haben einen starken Willen

Verdammte Axt. Natürlich geht es mir übelst auf den Keks, wenn die Große nicht auf das hört, was ich ihr sage. Gerade in Situationen, wo die Zeit verdammt nochmal knapp ist.

Montagmorgens neigt sie gerne dazu, zu lange zu schlafen, zu frühstücken etc.:

„Gehst du jetzt bitte Zähne putzen, wir müssen wirklich los!“

„Ja, gleich“

(…und zu dieser Reaktion kommt es in der Regel erst nach meiner dritten Ansage. Alternativ: gar keine Reaktion. Und das Wörtchen gleich definiert sich für meine Große als schier unendlicher Zeitraum…)

„Nein Schatz, gehts du bitte jetzt sofort? In 5min müssen wir wirklich los zur Kita“

„Jahaa, gleeheeiich. Ich muss noch XY [Spielzimmer-Tätigkeit nach Wahl] tun!“

Da könnte ich ernsthaft ausrasten so manches Mal.

Die ist jetzt 4 Jahre alt – wie soll das mit 13 werden?!. Aber wenn ich ehrlich bin, bin ich stolz auf sie. Im Gegensatz zu mir lässt sie sich nicht unter Druck setzen – von der Zeit, vom Alltag oder sonstigen äußeren Zwängen…

Kinder leben im Moment

Wirklich Wahnsinn, wie sehr Kinder uns das vorleben, was der heute so gestressten Gesellschaft völlig abgegangen zu sein scheint: Sich völlig auf den gegenwärtigen Moment einzulassen. Ich selbst zu sein heißt doch, auch das zu tun, was mir Spaß macht oder?

Doch entweder mache ich mir in der Regel Gedanken um das, was in der Vergangenheit war (gestern, heute oder vor 3min)  oder ich sorge mich um das, was in der Zukunft vor mir liegt (gleich, nachher, morgen, irgendwann). Wenn wir ehrlich zu uns selbst sind, bewegen wir uns gedanklich beinahe ständig in der Vergangenheit oder der Zukunft, selten nur in der Gegenwart, im Hier und Jetzt. Dabei ist es doch so:

Vergangenheit und Zukunft gibt es gar nicht, es gibt nur eine unendlich kleine Gegenwart – und die ist jetzt! (Tolstoi)

Alles außer der Gegenwart sind sozusagen Hirngespinste.

Für mich ist es wirklich herrlich zu beobachten, wie die Große sich nicht nur selbst beschäftigt, sondern darin auch völlig aufzugehen scheint. Wenn sie malt, dann malt sie. Wenn sie tanzt, dann tanzt sie. Und wenn sie mit ihren Puppen quatscht, dann lässt sie sich auch darauf voll ein.

Manchmal bezieht sie mich in ihr Spiel auch ein. Wenn ich es schaffe, der Einladung zu folgen (mein Kopf ist schließlich noch in Vergangenheit und Zukunft unterwegs) und mich komplett auf den Moment einlasse, ist es spannend, mich selbst zu beobachten: Ich empfinde weniger Stress!

Mal wirklich ausschließlich gemeinsam Lego bauen, Geschichten ausdenken, Musik hören, vorlesen, tanzen – statt parallel an die Arbeit zu denken, das Staubsaugen, den Termin nachher etc. – auch mal alles andere ausblenden. Einfach ich selbst sein, ohne mich in Zwängen und Verpflichtungen zu verlieren. So einfach gesagt und doch so schwer umzusetzen, wow.

Kinder tun, was sie lieben

Es ist ja eigentlich ganz einfach:

Ick mach, worauf ick Bock hab, wa?!

Kind zu sein bedeutet natürlich, in gewissem Maße frei zu sein von Verpflichtungen, die uns im Laufe des Lebens so einholen: Miete zahlen müssen, den Haushalt organisieren, Essen kaufen… All das kann nicht alles immer zu 100% Spaß machen, so zumindest meine Überzeugung.

Kinder spielen um des Spielens willen. Das schaue ich mir im Kern liebend gerne von allen Kindern ab. Als sogenannter Erwachsener lasse ich mich doch oft zu sehr von meinen Verpflichtungen übermannen – und so verkommt Vieles, was ich tue, zu einer Art Mittel zum Zweck.

Ich wasche ab, damit die Küche sauber ist und das Geschirr sich nicht stapelt. Arbeiten tue ich, um unsere Fixkosten zu bezahlen. Sport treibe ich leider oft deshalb, um in Form zu bleiben etc.

Das führt leider dazu, dass ich für mich hin und wieder den roten Faden zu meinem Herzen verliere. Doch ebendieses Herz ist es, das mir den richtigen Weg zeigt, davon bin ich überzeugt. Denn es hilft mir das zu tun, was ich liebe! Und nur dann ich ich selbst sein.

Ich kann mir durchaus vorstellen (und meine es oft zu beobachten), wie es anderen erwachsenen Menschen ebenso geht. Schlimmer noch: Ich behaupte, einige sehen wenig bis gar keine Freude oder Liebe in dem, was sie tun.

Wie gehts dir damit?

Kinder wollen Aufmerksamkeit

Ein Kind holt sich, was es braucht. So einfach ist es.

Und so kann ich auch von meiner Kleinen mit ihren zweieinhalb Monaten Lebenszeit viel lernen.

Baby schreit – Baby hat ein Bedürfnis. Hunger, volle Kackwindel, körperliche Nähe… Die Erkenntnis ist folgende: So wie der kleine Mensch fuktioniert, tut es der große auch – nur dass der große das nicht immer so äußert. Wieviele von uns verspüren auch mal das Bedürfnis nach menschlicher Nähe?! Das kommt vor. Oft sogar. Logisch, es ist schlichtweg ein wichtiges Grundbedürfnis! Jaa, auch bei Papas. Und wie oft nehmen wir uns dabei selbst nicht ernst oder unterdrücken dieses Bedürfnis oder sind zu achtlos, um es zu erkennen oder oder oder?!

Ich plädiere für einen offeneren und dadurch gesünderen Umgang mit den eigenen Bedürfnissen!

Selbstverständlich über-performen sicherlich auch einige Menschen. Ich kenne einige, die quasi durchgehend Aufmerksamkeit für sich erhaschen möchten/wollen/müssen – bewusst oder unbewusst. In Zeiten sozialer Medien erst recht.

Facebook-Status: Gerade auf Toilette.

Facebook-Status: Fertig mit Toilette…

Und alle Lesenden rollen mit den Augen 🙄 Vielleicht ist es daher gesellschaftlich auch bisweilen verpöhnt, über Bedürfnisse zu sprechen (in meinen Augen ist es oft so). Wir dürfen sie trotzdem nicht aus den Augen verlieren, wie ich finde.

Kinder sind weise – weil sie noch sie selbst sind!

Kinder sind weise. Ja, ich sehe es tatsächlich so. Und warum? Weil sie in meinen Augen noch weniger sozialisiert sind als wir sogenannten Erwachsenen. Sie sind noch weniger zwanghaften Einflüssen ausgesetzt gewesen als wir und konzentrieren sich voll und ganz auf das, was sie sind und wollen.

Ein paar Dinge hab ich jetzt hervorgehoben, da ist aber noch viel mehr, was ich lerne:

  • sich (ehrlich) auf den bevorstehenden Tag freuen – direkt beim Aufstehen!
  • kreativ sein: Dinge nicht so benutzen, wie sie von irgendeinem Hersteller gedacht sind
  • grenzenlos träumen – was will ein Kind später mal beruflich machen? (Astronaut, Superheld, Weltenretter… why not?! Spiderman wird mein Kind später vielleicht nicht, aber möglicherweise ergibt sich daraus eine Lebensvision, die globale Erderwärmung zu bekämpfen?!)
  • auch mal schamlos sein (es ist ihnen von Natur aus wenig peinlich, sie sind wie sie sind – unverstellt)
  • die vermeintlich kleinen Dinge im Leben genießen, z.B. dass die Sonne scheint oder der Kakao morgens warm ist
  • schnell mit Situationen abschließen können (es geht allerdings auch genau andersrum)
  • Rituale pflegen: Danke für die gelegentlichen Erinnerungen, das gemeinsame Vorlesen abends nicht zu vergessen! Mein Kind ist sozusagen mein „Gewohnheitsmanager“ – es erinnert mich auch daran, Rituale für mich wieder mehr einzuhalten

Ich selbst sein: Am Ende ist es eine Frage der eigenen Haltung

Ich habe jeden Tag, jede Stunde, jede Minute, ja, in jedem einzelnen Moment die Wahl, wie genau ich mein Kind betrachte: Sehe ich gerade, welche meiner Erwartungen es nicht erfüllt oder sehe ich, wie es eine eigene Sicht auf die Dinge der Welt entwickelt – und wovon ich sicherlich sogar lernen kann?!

Meine Kinder erinnern mich durch ihr Tun oft an Dinge, die mir selbst eigentlich sehr wichtig sind, ich aber mitunter total verdränge oder vergesse. Der wuselige Alltag, die Leistungsgesellschaft… Das Thema Achtsamkeit wird nicht umsonst immer wichtiger heutzutage.

Kinder, Eltern, Freunde, Familie, Kollegen: Am Ende sind wir doch alle ein Leben lang Lehrende und Lernende zugleich…

Wenn ich eine Sache von meinen Kindern lernen kann, dann, ich selbst zu sein!

Und um was geht es im Leben am Ende, wenn nicht genau darum?!