
Banges Warten
Ich stehe am Küchenfenster und schaue, wann meine Große um die Ecke fährt. Sie ist 6 Jahre alt und heute mit dem Fahrrad alleine zu einer Freundin gefahren. Auf dem Weg liegt mindestens eine halbwegs befahrene Straße – Zone 30, aber daran hält sich ja eh niemand. Ganz ehrlich: Ich habe Angst ums Kind.
Äußerlich cool, doch innerlich leicht nervös spähe ich durchs Fenster immer wieder um die Ecke, bis Stirn und Nase die Scheibe berühren.
Ich bin total stolz, dass sie das alleine macht. Und sie will es auch wirklich. Sie wird größer und findet immer mehr heraus, was sie kann, will und lotet ihre Grenzen immer neu aus.
Doch ich spüre auch Angst, Angst ums Kind. Davor, dass ihr etwas geschieht. Ein Auto, ein Fremder – Horrorszenarien kann mein Gehirn am besten.
Es ist die Angst loszulassen. Angst vor Kontrollverlust. Ich werde missmutig: Ein wenig Angst, meinem eigenen Kind zu vertrauen.
Doch ab wann schenke ich meinem Kind Vertrauen? Sollte ich das nicht von Beginn an tun? In welchem Ausmaß? Was kann ich ihm in welchem Alter schon zumuten? Kann es dieses oder jenes denn schon? Ist es sich über die Gefahren im Klaren? Sicher nicht… Doch ist das nun gut oder schlecht?
Ich will doch nur das Beste für mein Kind, ich will es beschützen! Doch ich will ihm zugleich auch Entwicklung, Freiheit und Selbstbestimmung ermöglichen. Und zwar so früh es geht! Doch an welchen Stellen und wie hoch ist das Risiko?
Wieviel Elternmut ist gesund?
Alleine zur Schule, zu Freunden, zum Bäcker…
Alleine den Tisch decken, das Porzellan tragen, das Kakaopulver in die Tasse löffeln…
Auf dem Laufrad voraus fahren lassen, an der Straße nicht an die Hand nehmen, alleine aufs Klettergerüst oder ins Schwimmerbecken (mit frischem Freischwimmer-Abzeichen)…
Das erste Mal ist immer das aufregendste – sicher für Kind und Papa. Vertrauen entwickelt sich – und zwar auf beiden Seiten. Das Kind lernt durch Erfahrung genauso wie Papa es tut.
Passieren kann immer was, soviel ist klar. Doch passieren kann auch mir etwas, jeden einzelnen Tag: Unfall, Überfall, Anfall…sowas passiert zig Mal und überall.
Dann sehe ich meine Große, wie sie um die Ecke radelt. Im Schneckentempo, mehr zur Seite als in Fahrtrichtung schauend, doch stetig in Richtung zu Hause. Von Weitem sieht sie mich und winkt mir stolz zu – das Strahlen in ihren Augen trifft mich auch auf die Entfernung mitten ins Herz.
Was aus ihr heraus strahlt, ist die Freude und der Stolz darüber, etwas geschafft zu haben. Alleine. Mit Vertrauen. Dies ist die Wurzel alles Möglichen. Unbezahlbar.
War meine Angst ums Kind berechtigt?
Eine Frage, die ich mir immer wieder stelle ist: Wenn ich später mal zurückblicke, wer möchte ich als Papa gewesen sein? Die Antwort ist mir stets ein Leuchtturm auch für heute, morgen und die Morgen danach.
Auch heute finde ich wieder etwas Passendes: Als Papa möchte ich jemand sein, der mutig ist, die eigenen Ängste kontrolliert und der mutig Vertrauen schenkt – und da kann ich viel von meinem Kind lernen. Im schenke und werde im Gegenzug auch beschenkt – das Vertrauen meines Kindes in die eigenen Fähigkeiten wächst. Und das Meine in mein Kind und mich selbst auch!
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Guten Morgen Niels, Dankeschön dass du deine Ängste und Sorgen um Eni freien Lauf gelassen hast. Und ich denke,dass du nicht der einzige bist,den Angst und Bange ist,wenn das eingebe Kind flügge wird. Und am Ende der Stolze Papa einen Einblick in seine Gedanken,uns mitteilen möchte.
Toll geschrieben …
Liebe Grüße Tenni
Lieber Niels, das hast du wunderbar geschrieben, der Blick, der mitten ins Herz trifft, der Erleichterung verschafft und auf beiden Seiten stolz macht. Genau so geht loslassen können.
Genau so empfindet man das..
Gruß
Deine Mama 🙂
Lieber Niels,
Du hast das so toll und passend beschrieben. Meine Kinder sind nun schon ne Ecke älter und mein 25-jähriger Sohn putzt sein Motorrad, um damit in seine Studienheimat zu brausen und die gleichen Gedanken sind in meinem Kopf . Er ist erwachsen, aber die Angst, dass etwas passiert bleibt auch in meinem Mutterhirn und Herz. Ich traue ihm viel zu, er fährt gut und umsichtig. Und trotzdem bleibt eine Restangst, es gibt so viele auf der Straße, die nur sich sehen oder ein Moment der Unachtsamkeit entscheidet über so vieles. Unsere Kinder kriegen das hin. Eni ist so ein starkes Mädel. Einfacher machen es die Katzen , die kriegen ihre Kinder, bringen ihnen das Nötigste bei und dann gehts in die Welt hinaus und man erkennt sich nicht mehr. Aber das wollen wir ja auch nicht. Liebe Grüße
Lieber Niels! Ein Text, der mitten ins Herz geht, weil er die Angst beschreibt, die ich fast täglich mit mir herumtrage. Eigentlich fängt es doch schon an, wenn das Kind noch im Bauch ist. Dann steht man nach der Geburt nachts am Bett und schaut, ob das Kind noch atmet. So geht es dann weiter und die Sorgen hören nie auf. Aber wie sollten sie auch, die Liebe hört ja auch nie auf! Man muss Vertrauen schenken, damit beim Kind Selbstvertrauen entsteht. Um Vertrauen schenken zu können, muss man, wie du es sagst, seine eigenen Ängste kontrollieren können. Vielleicht immer neu ausloten, wo man mit seiner Angst steht. Und es auch ansprechen und dem Kind erklären. Manchmal ist das Kind vielleicht schon längst so weit, aber man selbst noch nicht. Dann bewundere ich mein mutiges Kind und versuche ganz schell auch den Mut aufzubringen.
Liebe Grüße
Juliane
Moin Niels,
ich kann deine Gedanken zu 100% nachempfinden. Ich bekomme auch jedes Mal etwas Schnappatmung, wenn meine Mädels im Viertel unterwegs sind und ich den Amazon Transporter „vorbeifliegen“ sehe mit gefühlten 120 Kmh. Instinktiv weiß ich zwar, dass sie sehr vorsichtig sind, doch eine Restangst bleibt trotzdem.
Und du hast es sehr passend geschrieben: Irgendwas könnte immer passieren. Wir wollen es nicht hoffen. In keinster Weise!! Doch man steckt quasi nicht drin. Wir Papas haben manchmal den Drang nach Kontrolle, doch da kommt meist das Leben dazwischen ;). Den Kindern vertrauen ist die Devise. Vertrauen ist besser als Kontrolle.
Es ist immer wieder schön deine Beiträge zu lesen. Du sprichst mir mit vielen Sachen aus der Seele.
Beste Grüße
Boris
[…] das Risiko überschaubar halten. Freilich eine Gratwanderung: Was darf es jetzt und was nicht? Was traue ich meinem Kind wann zu und was noch nicht? Aber mir gehts hier erstmal um die grundsätzliche […]