Abschied nehmen – eine Momentaufnahme

Abschied nehmen – eine Momentaufnahme

3. Januar 2019 2 Von Niels

Unsere Familie hält zusammen. Die Zeit miteinander ist oft sehr intensiv. Eine Trennung auf Zeit ist für uns daher immer schwer. Und doch hat sie auch einen großen Vorteil: Aus ihr kann ich viel lernen!

Es gibt halt diese Momente in der Familie, in denen man sich (vorübergehend) voneinander verabschiedet.

Manchmal verabschieden muss – dann fällt das Loslassen echt schwer. Und sei es auch nur für einige Stunden.

Und manchmal verabschieden darf – manchmal tut das Loslassen auch echt gut. Ein paar Stunden Zeit für mich. Durchatmen. Und dann aufs Wiedersehen freuen 😄

So ist es freilich ein Unterschied, ob ich jeden Morgen wie gewohnt das Haus Richtung Büro verlasse oder aber das erste Mal nach einer längeren gemeinsamen Elternzeit wieder los muss, in der wir nur aufeinander gehockt haben.

Doch ob nun das Abschiednehmen und die Trennung auf Zeit alltäglich ist oder nicht – mit der Zeit ist mir immer bewusster geworden, was genau ich aus diesen Momenten als Papa lernen kann. Dafür möchte ich eine konkrete Situation beschreiben, die mir ein wenig die Augen geöffnet hat…

Alleine

Der erste Familienurlaub zu viert geht zu Ende – plus Großeltern. Die Kleine ist gerade 4 Wochen alt. Insgesamt 6 Wochen (einen Monat Elternzeit + 2 Wochen Urlaub), die wir als Familie von früh bis spät miteinander verbracht haben. Gemeinsame Anreise mit dem Wohnmobil und 2 schöne Wochen Italien. Sonne. Abhängen. Spielen – quality time würde ich sagen. Das machen wir gerne mal in der Elternzeit.

Und dann muss Papa alleine zurückreisen😨 Mit dem Flugzeug. Dies war geplant, im großen Ganzen aber doch nicht wirklich gewollt. Freiberuflicher Pflichttermin in Deutschland – während der Rest der Urlaubsfsamilie noch zwei Tage am Strand in der Sonne abhängt, muss ich mich bereits auf den Weg machen.

Im Grunde kenne ich die Situation auch bereits von einem anderen Urlaub einige Jahre zuvor. Hmm, ich scheine irgendwie ein unglückliches Timing zu haben mit meinen Verpflichtungsplanungen…

Der Preis, den ich für all dies zahle, ist für den Moment sehr hoch, auch wenn die Vorteile klar sind:

  • Im Gegensatz zu den anderen habe ich eine kürzere und daher komfortablere Heimreise als mit dem Wohnmobil, klar.
  • Zwei bis drei Tage habe ich für mich sozusagen, klar (wobei meine freiberufliche Verpflichtung ja ruft).
  • Ich habe keinen Stress bezüglich des Ein- und Aufräumens des Wohnmobils und ebenso nicht bezüglich des Fahrens, klar.

Und dennoch: Ich würde es nicht wieder so machen!

Meine „von Tür zu Tür“-Reisedauer von 10 Stunden bietet genügend Zeit, dies zu reflektieren.

Öffentliche Verkehrsmittel in Italien – spannende Annekdote am Rande…

Vom Campingplatz in Italien geht es für mich mit dem Bus inkl. Umsteigen zum Flughafen. Ein wilder Reisetag.

Öffentliche Verkehrsmittel zum Flughafen in einem fremden Land

Grundsätzlich ja spannend. Als sorgfältiger Mensch habe ich natürlich versucht, umfassend zu planen. Buspläne für den Weg zum Flughafen einholen (ca. 2 Std. geplante Fahrt), Busbahnhof vorher abchecken (wo einsteigen?), Bustickets klarmachen. Bin froh das gemacht zu haben, denn aus dem Sommer- wurde kurzfristig noch der Herbstfahrplan, aus zunächst 1x umsteigen wurden am Ende laut Plan 3x und in der Realität am Ende 2x 🙈 Es ist halt nicht alles planbar. Am Flughafen angekommen bin ich trotzdem.

Ich bin grundsätzlich kein Fan vom Fliegen!

Dass Fliegen statistisch sicherer ist als Autofahren ist meinem Gehirn, zumindest der rationalen Seite, bewusst! Meiner kreativen, emotionalen Seite aber auf keinen Fall! Nasse Hände, erhöhter Puls, ständiges Zusammenzucken bei Geräuschen oder Bewegungen im Flieger, die ich nicht kenne (also beinahe durchgehend), alles inklusive.

Flughafen-Hektik

Unbekannter Flughafen – an sich nichts Wildes. In Kombination mit Zeitdruck, schnellem Orientieren, Sicherheitskontrolle durchlaufen, Gate finden, durch Menschenmengen kämpfen… zumindest keine Routine für mich.

Eine gewisse Grundspannung, ob denn alles klappen würde, war also von Tagesbeginn an vorhanden.

…und dann heißt es „tschüss“. Oh man…

Was mich jedoch völlig aus den Latschen gehauen hat, was ich wirklich nicht auf dem Schirm hatte – war der Moment des Abschieds von meiner Familie.

Dass wir uns schon in drei Tagen wiedersehen würden, war in dem Moment irrelevant. Die Kleine, die Große und die ganz Große (= Mama) bringen mich zur Bushaltestelle: 50 Meter vor dem Campingplatz.

Bin noch irritiert, ob des Kloßes in meinem Hals, den ich seit zwei bis drei Minuten verspüre. Die Große sucht viel Körperkontakt auf dem Weg zur Bushaltestelle („Papa, fass meine Hand richtig an“) und auch an der Haltestelle selbst ist sie fast durchgehend auf meinem Arm.

Was ich über die letzten drei bis vier Tage versuchte mit ihr vorzubereiten, muss ich nun noch mal ganz in Ruhe erklären: „Papa warum gehst du denn jetzt?“ Mit Pipi in den Augen erkläre ich es ganz in Ruhe nochmal. Und dass wir uns bald schon wieder sehen. Und dass sie gut auf Mama und die Kleine aufpassen soll.

Mir wird bewusst, dass ich gleich alleine in diesen Bus steigen werde. Alleine. Dass ich im Prinzip alles hinter mir lassen werde, was mir wirklich wichtig ist.

Die Kleine hängt auf Mamas Arm ab – ihrem Baby-Blick dichte ich auch ein bisschen Wehmut an. Knutscher hier, Knutscher da, doch noch schnell ein drittes Mal alle drücken, dann steige ich ein. Platz ganz hinten. So kann ich noch schauen und winken. Mit fünf Minuten Verspätung fährt der Bus los.

Und dann brennt sich folgendes Bild bei mir ein: Der Bus fährt ab und ich sitze am Fenster, alle winken. Ich schaue erst am Seitenfenster, dann hinten raus. Die da draußen grinsen wie die Schneekönige. Alles gespielt, hoffe ich. Denn so geht es mir. Ich atme intuitiv lang und schnaubend durch die Nase aus – typisch fürs Unterdrücken der Tränen, die mir in die Augen schießen. Trotzdem versuche ich mir ein Lachen abzugewinnen.

Dann biegt der Bus um die Ecke.

Weg.

Ich sehe sie nicht mehr.

Und ich bin todtraurig.

Mund abputzen und weiter…

Schnell versuche ich mich zu berappeln – Rumheulen bringt mir jetzt auch nichts, die Reise liegt ja schließlich noch vor mir. Im Laufe des Tages wird es besser, bin ja auch abgelenkt. Das Abschiedsbild aus dem Bus läuft aber in Dauerschleife vor meinem inneren Auge ab. Und mit ihm die damit verknüpften Emotionen.

Auch im Flugzeug und Zug auf der weiteren Heimreise in Deutschland könnte ich noch in Tränen ausbrechen, wenn ich mich ganz drauf einlasse. Krass eigentlich, was unser Hirn da zu leisten imstande ist…

Zu Hause angekommen wird gleich nochmal kurz telefoniert. Schön die Stimmen zu hören. Ich hätte übrigens nie gedacht, dass ich mal so empfinde. Und schon gar nicht, dass ich drüber schreibe 😅

Klingt verrückt, aber Danke für diese Erfahrung

Abschiednehmen gerät im Alltag oft zur Routine. Leider. Schnell mal „Tschüss“ gesagt, wieder spät dran, mit dem Kopf schon ganz woanders…

Ich bin dankbar für die beschriebene Erfahrung. Sie zeigt mir, wie wichtig mir meine Familie, mein zu Hause eigentlich ist – und wie oft ich mir dies im Alltag gar nicht klar ist…

Ich versuche mir immer wieder bewusst zu machen, dass mein Papasein, meine kleine Familie, ja sogar das nächste Wiedersehen (auch nach einem Alltagsabschied) nicht selbstverständlich ist! Wir leben in einer wuseligen, schnellen, manchmal verrückten, unvorhersehbaren Welt.

„Tschüss“ sagen mit ganzem Herzen. Mit voller Bewusstheit und Aufmerksamkeit. In Ruhe, nur für diesen einen Moment. Der Moment, in dem sich die Augen treffen und der diese tiefe Dankbarkeit ausdrückt und der ebenso meint: „Ich freue mich, dich später wiederzusehen“.

Die Bewusstheit und Ruhe, solche Momente erleben zu dürfen mit all dem, was sich in darin verbirgt – das wünsche ich jedem Papa oder Elternteil!