
Und plötzlich hab ich ein Geschwisterchen
Ein zweites Kind bringt den Alltag nochmal ordentlich durcheinander. Doch der Aufmerksamkeit für das Baby dürfen wir Eltern auch das große Kind nicht vergessen.
Ich erinnere mich immer gern an einen Arbeitskollegen, der zwei Kindern hat. Er sagt:
„Niels, mit dem ersten Kind dreht sich das Leben um 180°. So gut wie alles wird auf den Kopf gestellt. Das ist wie der U-Turn auf der Autobahn. Mit dem zweiten Kind nimmt das Leben dann nochmal so richtig Fahrt in diese Richtung auf – deine Aufgabe ist es, den entgegenkommenden Autos auszuweichen“
Ich weiß nun seit einigen Monaten, wie das ist, so mit zwei Kindern – und an dem lachs gesagten Spruch ist was dran!
Es ist nochmal anders als bei Kind 1. Natürlich hat man als Elternteil mehr zu tun und dadurch ist es auch anstrengender – doch man gewöhnt sich als Erwachsener recht schnell an die neue Situation.
Wir als Eltern sind jedoch nicht die Einzigen, die sich gewöhnen müssen. Da ist auch noch unser großes Kind. Und auf einmal gibt es jetzt sowas wie eine Konkurrenz.
Als Papa habe ich viel beobachten können in letzter Zeit und wie gerne würde ich mal „Mäuschen“ im Kopf meiner Großen spielen. Wirklich, wie großartig das wäre.
Geht natürlich nicht.
Aber was würde sie wohl denken? Wie muss es sich im Vergleich zu den ersten 4 Jahren anfühlen, in denen sie Mama und mich für sich alleine hatte?
Am Anfang hatte ich die volle Aufmerksamkeit
„12.07.2014 – pünktlich einen Tag vorm WM-Finale, damit Papa das in Ruhe gucken kann – da bin ich nun. Mama und Papa, vor allem Mama, sind immer für mich da. Einfach immer. Tags und nachts – und zwischendrin auch. Ich hab ja auch noch keinen Rhythmus – Schlafen…wach sein…kein Plan, was das eigentlich sein soll.
Trinken (manche behaupten Komasaufen), Schlafen, Kacken. Gerne auch parallel Trinken und Kacken – wenn ich mich eh grad anstrengen muss, damits oben reingeht, drück ich dabei gleich noch einen ab. Aber nur in eine frisch angelegte Windel, versteht sich wohl von selbst. Wer geht nicht gerne auf ein sauberes Klo?!
Schon ganz nett, so ne 360°-Betreuung, 24 Stunden am Tag, 7 Tage die Woche. Klar mecker ich trotzdem manchmal rum, aber ständig trägt mich einer durch die Gegend, immerzu werde ich liebevoll betätschelt und gefühlt bin ich der neue Star der Familie. Jeder will mir mal nahe sein.
- Drehen lernen. Mama motiviert mich ständig und traininert mit mir. Immer.
- In Bauchlage Stützen lernen. Puh, ganz schön anstrengend.
- Krabbeln lernen. Stereo-Beschallung: Mama links und Papa rechts, beide feuern mich an.
Komme immer besser vorwärts. Und heeeeeee, was ist denn das da? Ach, der Couch-Tisch. Da könnte ich doch eigentlich…
…jep, hat geklappt, erfolgreich dran hochgezogen. Jetzt steh ich auf einmal auf beiden Beinen, ungeplant, ist einfach so passiert…und kurz mal ohne Eltern. Ach guck mal, Mamas Lieblingsvase direkt in greifbarer Nähe jetzt…
Laufen lernen. Stück für Stück. Eine Million Mal auf die Klappe legen dabei. Aber ich bleibe dran. „Lektion fürs Leben“ oder so faselt Papa, während wir Hand in Hand den einen oder anderen Marathon durch die Wohnung zurücklegen. Irgendwann kann ichs dann, ich laufe!
Jetzt hält mich nichts mehr auf.
Das erste Mal feste Nahrung, der erste Tag Kinderkrippe, das erste Mal mit Sand schmeißen, der Wechsel in den Kindergarten, neue Freunde, mehr Freunde, beste Freunde… Ich fühle mich unbesiegbar. Läuft bei mir.
Beim Lesen dieser Zeilen stelle man sich den passenden Soundtrack im Hintergrund vor 😉
Und dann wird für mich alles anders
Doch dann, irgendwie aus dem Nichts:
What is that? Mama ist voll fett! Sag ich ihr natürlich auch genau SO. Ich bin ja ehrlich.
Ein Baby ist angeblich unterwegs. Ein zweites Kind für unsere Familie.
Große Schwester? IIIIICH? Oh yeah, wie cool ist DAS denn bitte? Bin mega aufgeregt, kanns gar nicht abwarten. Immer horche ich am Bauch von Mama, fühle wie „es“ tritt.
Mamas Bauch wird immer dicker und eines Tages hat sie dann voll Schmerzen und so… Opa kommt mich abholen. Mama und Papa brauchen jetzt mal Ruhe sagt er (Mama sieht gar nicht gut aus)… Kann ja nicht wissen was hier jetzt abgeht, Hausgeburt und so…
Und dann ist es da. Ich freue mich soooo sehr. Ich könnt die Kleine den ganzen Tag knutschen. Wer brauch schon langweilige Puppen, wenn er ein echtes Baby haben kann?!
„Ist es nicht schön, mit einem Baby zusammen zu wohnen, Mama?“, frage ich dezent nachts um 3h.
Alle anderen schlafen, aber das stört mich ja nicht.
Ich hab meine kleine Schwester voll lieb und so, aber…
Warum schimpft ihr manchmal, wenn ich mit ihr „kuschele“? Sooo fest drück ich jetzt auch nicht. Ich freu mich halt immer so, sie zu sehen.
…und wieso darf ich sie nicht alleine hochheben? Ihr habt mir doch immer gesagt, wie stark ich bin.
…und wieso darf ich ihr keine ausführlichen Knutscher auf den Babymund geben, ihr Gesicht dabei in meinen beiden Händen halten und meine Nase dabei auf ihre drücken? Ein bisschen Luft bekommt sie ja wohl noch… Wieso soll sie das so nah am Gesicht denn bitte nicht mögen?
…und warum seid ihr abends überhaupt immer alleine auf dem Sofa mit dem Baby? Wieso muss ich stattdessen ins Bett? Das ist voll unfair! Ich dachte du bist meine beste Freundin, Mama…
Habt ihr mich nicht mehr lieb?
Pöh, dann isses ja jetzt auch egal. Mach ich halt extra was kaputt. Oder schmeiß noch mehr vom Tisch als sowieso schon. Oder hör halt nicht. Oder lasse mir halt mega viel Zeit, bei ALLEM. Vor allem beim Anziehen morgens, wenn wir eh schon knapp dran sind. Oder beim Zähneputzen abends, wenn Mama und Papa eh schon voll müde sind. Oder mache halt wieder ins Bett nachts, mir doch egal…😥
Aber weißt du Mama, eigentlich… hab ich auf diese Weise nur n bisschen mehr Zeit mit dir, mit euch.
Ich hab euch eigentlich nämlich ziemlich gern. Ihr seid doch die wichtigsten Menschen für mich. Das wisst ihr glaube ich auch. Bestimmt bin ich euch ja auch nicht egal (wär ja auch voll dämlich, ihr habt schließlich schon über 4 Jahre in mich „investiert“). Bestimmt ist es für euch ja auch nur ne neue Situation. Bestimmt gewöhnen wir uns immer mehr daran.
Aber versprecht mir bitte eins, ok? Egal wie anstrengend es auch mal wird: Vergesst mich dabei nicht, ja?
Ich hab euch lieb, eure Eni “
Zweites Kind: Die größte Herausforderung
Die größte Herausforderung neben der Gewöhnung an den neuen Rythmus und den Mehraufwand ist zweifelsohne, beiden Kindern gerecht zu werden.
Die vorherigen 100% Aufmerksamkeit teilen sich keineswegs in 2×50% auf, ganz im Gegenteil. Es sind nun 200% Aufmerksamkeit, die wir investieren müssen! Empathie, Geduld, die eigenen Bedürfnisse hinten anstellen – all das geht damit einher und wir geben uns große Mühe!
Wir vergessen dich nicht, meine Große, niemals! Weder dich noch deine Schwester
und dann küss ich ich die Hand meiner kleinen
Schwester und das auch ein bisschen mit den Zähnen!!! 😉